10. Tag, 30.06.2015, Bunratty - Glenbeigh

Heute Morgen bin ich früh wach und warte ungeduldig, dass Marianne ausgeschlafen hat. Sie scheint meine Unruhe zu spüren, denn sie wacht auch früher auf als sonst. Einerseits kündigt der Wetterbericht ab mittags heftigen Regen an, deshalb möchte ich früh los. Aber besonders locken mich die legendären Halbinseln im Süd-Westen Irlands. Für die nächsten Tage stehen also Dingle, Iveragh, mit dem absuluten Muss für jeden Motorradfahrer, dem Ring of Kerry, und eventuell Beara auf dem Tourplan.

Als wir um 10:15 Uhr, nach einem reichhaltigen Full Irish Breakfast vom Parkplatz unseres B & B rollen scheint die Sonne, an Regen ist nicht zu denken. Das kann sich in Irland schnell ändern. Das Navi schlägt eine Route vor, die uns ein Stück zurückführt, um dann mit der Fähre die Mündung des Shannon zu überqueren. Ab Tarbert werden wir dann wieder dem Wild Atlantic Way folgen. Als mein Blick auf die Borduhr fällt ist es 10:45 Uhr. Die Fähren legen immer zur vollen Stunde ab. Das Navi zeigt mir zwar die Zeit, die wir noch bis zum Tagesziel unterwegs sind, gibt aber keinen Hinweis, wie weit es noch bis zur Fähre ist. Also bleibt mir nur, die Schlagzahl zu erhöhen, was ich auch umgehend mache (auch wenn Marianne später sagen wird, dass sie nichts davon gemerkt hat J). Es ist 11:01 Uhr, als wir auf den Fähranleger einbiegen und der Käpten hat schon den Finger auf dem Knopf für das Visier, lässt uns aber noch als Letzte auf sein Schiff.

18 € möchte der nette Fährmann gerne für die kurze Überfahrt von meiner Kreditkarte abbuchen, doch er schafft es leider nicht, sein Kartenlesegerät in Gang zu bringen. So müssen wir unsere letzte Barschaft zusammenkratzen und sind jetzt erst mal blank. Aber die Tanks sind voll und wir folgen der Küstenlinie in Richtung Dingle-Halbinsel.

Bei Tralee beginnt die Straße, die über die erste der drei Halbinseln führt. Schnurgerade, wie mit dem Lineal gezogen, führt die Straße am Meer entlang. Das ist also der Biker-Traum aller Irlandfahrer? Ich bin enttäuscht. Dazu hängt der Himmel voller Regen, der sich im Moment noch in dicken, dunklen Wolken versteckt, die dicht über der Straße zu schweben scheinen.  Frustriert halte ich an einer stillgelegten Tankstelle an, um mit Marianne die R-Frage zu besprechen. Kaum stehen wir, hält ein älterer Ire mit seinem Auto an, steigt aus und ruft: „You need fuel?“ Er will uns die nächste Tankstelle zeigen. Wir winken ab und erklären, warum wir hier stehen. Es ergibt sich ein netter kleiner Plausch und der nette Ire erzählt, dass er zur Zeit deutsche Gäste hat und gibt stolz ein paar Brocken auf Deutsch zum Besten. Er wünscht uns eine schöne Zeit in Irland und fährt weiter. Einfach nett die Iren. 

Wir entscheiden uns gegen die Regenkombis und folgen weiter der Küstenstraße bis zur Zufahrt zum Connor Pass. Mit 456 m ist er der höchste Pass Irlands. Die Warnschilder machen uns Hoffnung auf eine etwas abwechslungsreichere Straße. Auch wenn das Thermometer auf 9° C fällt werden unsere Hoffnungen nicht enttäuscht.

Der nach dem Pass folgende rund 30 Kilometer lange, kurvenreiche Slea Head Drive führt zur westlichsten Spitze Irlands und entpuppt sich als einer der spektakulärsten Küstenabschnitte auf der Dingle-Halbinsel.  Steinerne, prähistorische Zeitzeugen wie Forts, unter-irdische Gänge, historische Steinkreise und Hochkreuze, aber auch Beehive Huts, jene kreisrunden Gebetszellen von Eremiten, sind hier zu finden. Die Küstenstraße ist nur durch eine kniehohe Mauer vom Atlantik getrennt, während der Ozean 30 Meter tiefer gegen die Felsen brandet. 

Inzwischen hat es angefangen zu nieseln und die Sicht wird immer schlechter, als wir plötzlich eine Furt durchqueren müssen. Ein kleiner Bach fließt quer über die Straße und stürzt sich auf der anderen Seite als Wasserfall in die Tiefe. Wir befinden uns auf einer der über 2000 Wetroads in Irland und England.

Der Regen wird immer stärker und wir flüchten in das nächste Kaffee. Das Steinhaus muss mindestens 500 Jahre alt sein und es gibt Kaffee und Kuchen für 5 Euro. Beim Bezahlen fragen wir den Wirt nach dem Alter des Hauses: „It’s 15 years old“, gibt er zur Antwort. Offensichtlich sieht man uns unsere Enttäuschung an, denn er fügt grinsend hinzu: „Would it have made you happier if I had said 150 years?“ Er erzählt, dass es im letzten Jahr hier so heiß war, dass die Leute nicht draußen sitzen konnten und in die Kühle des Hauses flüchten mussten. Für uns kaum vorstellbar, aber immerhin hat der Regen aufgehört und das Thermometer ist wieder knapp im zweistelligen Bereich. Dass der Sommer in Deutschland uns in diesem Jahr noch Temperaturen über 40° C bescheren wird, die das Tragen von Motorradkleidung fast unmöglich machen, können wir ja jetzt noch nicht wissen. Sonst hätten wir die irischen Temperaturen sicher mehr zu schätzen gewusst.

Den fälligen Tankstopp legen wir heute rechtzeitig in Killorgien auf der zweiten Halbinsel Ivernagh ein. Der Wild Atlantic Way ist ausgezeichnet beschildert. Auch wenn wir einen ungeplanten Abzweig nehmen und dann zur Strecke zurück fahren, ist durch die Nord- und Süd-Kennzeichnung sofort zu erkennen in welcher Richtung es weiter geht.

Es ist 17:00 Uhr als wir nach 290 nicht ganz trockenen Kilometern unsere heutige Unterkunft in Glenbeigh erreichen.

Caitins Bar and Hostel liegt unmittelbar am Ring of Kerry. Unser Wirt begrüßt uns freundlich, teilt uns jedoch mit, dass das hauseigene Restaurant in der Vorsaison noch geschlossen ist. Das heißt, wir müssen nach dem Einchecken noch mal aufs Bike um etwas zu essen zu bekommen. Hoffentlich gibt’s da keine Probleme, denn mit solchen Situationen haben wir ja so unsere Erfahrungen. Das Frühstück muss man sich hier auch selbst machen. Die Zutaten stehen zwar bereit, Kaffee, Müsli, Milch, Brot, Marmelade und Obst, aber zubereiten muss man selbst. Das hatten wir uns anders vorgestellt, schließlich haben für zwei Tage reserviert. Da tröstet auch nicht das Zimmer mit Meerblick.

Wir entscheiden uns mit einem Motorrad zu fahren und ich setze mich auf Mariannes Sozius-Sitz. Im 15 Kilometer entfernten Kells haben alle Restaurants geschlossen und wir müssen noch ein Stück weiter. Inzwischen hat wieder leichter Nieselregen eingesetzt und es ist nicht angenehm, das enge kurvige Sträßchen im Dunkeln zu fahren. Erst nach weiteren 10 Kilometern werden wir in Calcerciveen fündig. Wir sind zwar die einzigen Gäste im Restaurant, das Essen ist trotzdem reichhaltig und köstlich. Für Marianne gibt es fangfrischen Seehecht und ich esse leckere Medaillons mit Kroketten.

Als wir zum Motorrad kommen hat sich der Niesel in einen heftigen Landregen gesteigert. Die Regenkombis liegen trocken im Hostel. Wir schwingen uns auf das Bike und Marianne möchte unbedingt noch an einen Geldautomaten um unsere Barschaft wieder aufzufüllen. Wenigstens ein frisch gezapftes Guinness wollen wir in Caitins Bar noch trinken. Während man fast überall in Irland mit Kreditkarte zahlen kann, gilt in den Pubs jedoch, nur Bares ist Wahres.

Als wir am Hostel sind haben sich unsere Kombis mit Wasser vollgesaugt und aus meinen Handschuhen fließt gefühlt ein Liter Wasser. Wir hinterlassen eine feuchte Spur durch das ganze Haus und unsere Klamotten tropfen im Zimmer noch lange, während wir im warmen Pub sitzen und eine lustige Gruppe irischer Camper kennen lernen. Sie verbringen die Wochenenden in ihren Mobilhomes auf einem Campingplatz in Kells und kommen abends zum Feiern in den Pub. Urlaub in Deutschland? Nein, das können sie sich nicht vorstellen. Spanien oder Italien schon eher, denn die Sonne muss schon scheinen. Nur der Glühwein ist in Deutschland der Beste. Dafür könnte man sich das schon mal im Winter überlegen.

Es ist 23:30 Uhr als wir auf unser Zimmer gehen und die Kombis tropfen noch immer. Da es im Bad keine Möglichkeit zum Trocknen gibt, tropft es leider auf den Boden, was sich aber leider nicht vermeiden lässt.

Morgen wollen wir mit dem Wirt reden, ob er uns nicht aus der Reservierung entlässt. Wir würden uns dann lieber ein B & B suchen, wo wir Frühstück bekommen und die Restaurants zu Fuß zu erreichen sind.

Die braune Strecke zeigt die ursprünglich geplante Route, die schwarze, mit den roten Pfeilen, die tatsächlich gefahrene.
Die braune Strecke zeigt die ursprünglich geplante Route, die schwarze, mit den roten Pfeilen, die tatsächlich gefahrene.

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Stefan