Nachdem wir gestern Gelegenheit hatten, die Crossis beim Frühstück zu testen, kommen wir heute ganz entspannt gegen 9:00 Uhr zum Frühstück.
Das hat den großen Vorteil, dass die anderen Gäste schon fertig sind und wir den Frühstücksraum fast ganz für uns alleine haben. So früh am Morgen habe ich lieber ein bisschen Ruhe, denn 15 - 20 Leute in einem Raum machen erfahrungsgemäß ganz schön viel Lärm.
Aber wir haben Glück und es sind sogar noch Croissants da und außer uns sind nur noch 2 Biker am Tisch. Sie sind mit einer GS und einer Triumph unterwegs. An der Engländerin sind zwei Speichen gebrochen. Leider sind die Ersatzteile für englische Motorräder in der Gegend nicht so selbstverständlich zu bekommen.
Nachdem wir eine Riesenportion von Yves' leckerem Rührei verspachtelt haben machen wir uns für die heutige Tour fertig. Geplant ist die Auffahrt zum kleinen St. Bernhard, der gleichzeitig die Grenze zu Italien markiert und dort schauen wir mal weiter… Vielleicht können wir ja heute einen unverschleierten Blick auf den Mont Blanc erhaschen.
Die Route planen wir wie jeden Morgen erst beim Frühstück und geben sie dann fix ins Navi ein. Während Marianne die Wegpunkte aus der Karte raussucht, hacke ich sie fix in den Zumo. So sind wir schnell fertig und können in alter Seemanns-Tradition morgens entscheiden wohin "der Wind uns weht".
Der erste Abschnitt erfolgt auf bekannten Wegen bis Bourg-St-Maurice und weiter bis Séez wo sich der Einstig in den Pass befindet. Und dann geht es gleich los. Irgendwie erinnert mich die Gegend hier sehr an die deutschen Alpen mit saftigen Wiesen, gelegentlich ein Bauernhof und Kühen auf der Weide. Die Straßen sind breit und gut ausgebaut und wir schlängeln uns den Berg hinauf.
Heute haben wir keine besondere Lust zum fotografieren, daher gibt es nur wenige Fotos. Wenn ich dann zu Hause bin bereue ich meine Bequemlichkeit und jetzt beim Schreiben noch mehr. Ich nehme mir vor bei den nächsten Reisen konsequenter zu fotografieren. Mal sehen ob der Vorsatz hält.
Die Grenze nach Italien passieren wir völlig unspektakulär, ohne Grenzkontrollen. Waren das noch Zeiten, als ich mit diesem leichten Kribbeln im Bauch auf die Kontrollstationen zufuhr - egal ob im Gepäck was zu verzollen gewesen wäre oder nicht. Selbst der kleine Bernie, der in Stein gemeißelt über seinen Pass und die Grenze nach Italien wacht, sieht ein bisschen traurig aus.
In Italien sind die Straßen in deutlich schlechterem Zustand als in Frankreich, aber es wird viel gebaut und ausgebessert. Die Jungs von den Ausbesserungstrupps erinnern mich sehr an städtische Bautrupps in Mannheim. Während einer arbeitet brüllen mindestens zwei in ihre Telefoninos und einer raucht gerade eine. Das Verhältnis ändert sich auf der weiteren Route noch bis zum Verhältnis 7:2.
Doch die Arbeit lohnt sich, denn die letzten Spitzkehren vor Pré-Saint-Didier sind in hervorragendem Zustand, durchnummeriert und jede einzelne wird durch ein Straßenschild angekündigt. Vorbildlich.
Bei dem ganzen gekurve verliert unser "dritter Mann" gelegentlich die Orientierung und zeigt unsere Position weit abseits der Straße an. Dabei stört ihn nicht, dass dort eigentlich keine Straße ist und wir uns im freien Fall befinden müssten. Ich bin froh, dass ich immer wenn ich unter mich gucke, grauen Asphalt unter mir sehe. Die kleinen Aussetzer sehen wir dem Zumo nach, schließlich zwingt uns ja keiner jeder vorgegebenen Richtungsänderung zu folgen.
Wir fahren weiter nach Courmayeur, das etwa 10 Kilometer südöstlich des Mont Blancs liegt und uns an diesem Samstag recht überlaufen vorkommt. Wir haben keine Lust zum Anhalten. Außerdem ersparen wir uns die Fahrt durch den 11 Kilometer langen Mont Blanc-Tunnel der hier beginnt und nach Chamonix führt. Die Fahrt durch einen so langen zweispurigen Tunnel mit Gegenverkehr ist auf dem Motorrad wahrlich kein Vergnügen.
In Courmayeur beginnt das Aostatal und wir biegen in eines der ersten Seitentäler, in südöstlicher Richtung, das Val Veny, ab. Laut Zumo gibt es am Ende des Tales einen See mit einer Gaststätte und wir hoffen, dass der Koch schon unser Mittagessen vorbereitet.
Als wir am Ende des Weges ankommen stehen wir vor einer Schranke. Den Weg zum See kann man nur zu Fuß weiter gehen, aber wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. Das Restaurant gibt es wirklich und das Essen brutzelt tatsächlich schon in der Pfanne. Der Blick in die Karte ruft ein leichtes Schwindelgefühl hervor, was nicht an der Höhe über NN liegt. Eine Portion "Spajettinudeln mit Tomatenpapp" sollen hier schlappe 17 Euro kosten.
Ein Kaffee und eine Orangina machen ja auch ziemlich satt und so flüchten wir eilig und beschließen die Nahrungsaufnahme auf den Heimweg zu verlegen. Leider versteckt sich "der Berg" wieder vor unseren Blicken.
Wir fahren zurück nach Courmayeur und dort fallen die ersten Regentropfen auf unserer Reise. Zum Glück sind es nur etwa 50 Tropfen pro Person und wir begeben uns auf gleichem Weg wieder zurück nach Frankreich.
Wenn ich erst mal unterwegs bin, fällt es mir in der Regel schwer anzuhalten. Meistens muss ich Marianne vorausschicken um ein Bistro oder Restaurant auszusuchen. Heute treiben uns jedoch die schwarzen Wolken am Himmel voran, da wir keine Lust haben auf regennasser Straße die Pässe zu fahren. So kommt es, dass wir erst in Bourg-St-Maurice einkehren und uns Baguettes mit Fromage et Jambon und Orangina gönnen, die allerdings auch mit insgesamt 21 Euro zu Buche schlagen.
Auf den letzen Kilometern bis zur Gite fängt es dann doch noch richtig an zu regnen, aber das stecken die Goretex Klamotten locker weg. Doch leider ist die Kawa wasserscheu. Aus welchem Grund sollte Marianne sonst Regenfahrten meiden "wie der Teufel das Weihwasser"? Jedenfalls nicht wegen dem bisschen Chrom, das geputzt werden will! (Hämisch grins)
Als wir die Motorräder in Yves' Garage schieben ist es 17:00 Uhr und wir haben 224 Kilometer mehr auf dem Tacho. Wir verbringen die Zeit bis zum Abendessen lesend und Tagebuch schreibend im Zimmer.
Abends gibt es Spinat und Schafskäse in Blätterteig mit Karottensauce, Kalbsschnitzel mit Senfsauce, Bavette und Zuccinigemüse und zum Nachtisch Wassermelonen. Dazu natürlich Wein und Wasser bis zum Abwinken.