Aus Erfahrung wird man klug. Und so stehen wir heute Morgen pünktlich um 8:00 Uhr
im Aufenthaltsraum um zu frühstücken! Idealerweise steht neben unserem Platz der Korb mit den Croissants. Der Tag muss einfach genial werden …
Nach einem ausgiebigen Frühstück hält uns nichts mehr im Haus. Schnell sind die Klamotten angezogen und wir sitzen bei strahlend blauem Himmel auf unseren Motorrädern. Im Forum der Motorradfreunde Rhein-Neckar hatten wir kurz vor unserer Abreise einen Tipp für eine Traumstraße bekommen.
Das sieht doch sehr vielversprechend aus und da wir nun mal in der Gegend sind, nehmen wir das doch einfach mit.
Die Anfahrt zur Montvernier Serpentinenstraße erfolgt über den Col de Madeleine, der meine persönliche Lieblingsstrecke in diesem Urlaub ist. Gut ausgebaute Straßen, übersichtliche Kurven und ich kann den "Flying Brick" fliegen lassen. Das macht Lust auf mehr. Zum Glück hab ich einen Klapphelm, sonst könnte es eng werden für das breite Grinsen, das sich in meinem Gesicht festfrisst.
Natürlich gibt es auch wieder ein Gipfelfoto, immerhin auf 2000 m über dem Meer. Von hier hat man ebenfalls wieder einen tollen Blick auf das Mont Blanc Massiv, wenn sich der 4000-er nicht gerade wolkentechnisch bedeckt hält. Wir fahren schnell weiter, haben wir doch ein Ziel, das uns schon ein bisschen reizt und auf die Folter spannt. Auf den Parkplätzen der Cols trifft man jede Menge Biker aus aller Herren Länder. Viele Franzosen, aber auch viele Deutsche, Schweizer, Niederländer, Belgier und ein paar Exoten aus Skandinavien oder England.
Immer wieder treffen wir Radfahrer, die sich alleine oder in Gruppen den Berg hoch quälen. Ob die das machen, weil es hinterher so lustig ist, den Berg runter zu rollen? Ich bin versucht zu fragen, ob sie sich hinten dran hängen wollen, aber irgendwie gucken die meisten ziemlich verbissen. Und wer weiß schon was: "Willst du dich hinten dran hängen?" auf Französisch heißt?
Wir lassen die Radfahrer Rad fahren und begeben uns weiter auf die Tour. Es geht auf der anderen Seite wieder ins Tal hinunter, wo wir auch schon bald in Pontamafrey-Montpascal am Fuße der "Traumstraße" stehen. So aus der Nähe betrachtet sieht das Ganze schon nicht mehr so spektakulär aus und nach einer kurzen Rast im Schatten beginnen wir mit dem Aufstieg.
Zunächst verpassen wir den Anfang und fahren etwas irritiert einen anderen Weg den Berg hinauf. Als wir unseren Irrtum bemerken (irgendwie fehlen die Spitzkehren) sind wir schon ein ganzes Stück am Abzweig vorbei und müssen umkehren. Wir werden also die Straße von oben nach unten fahren. Als wir dann endlich dort angekommen sind, sehen wir mit Bedauern, dass wohl gerade an den Hängen das Gras gemäht wurde und der Grasschnitt auf der Straße liegen geblieben war. Schade. Trotz allem stürzen wir uns in die Tiefe - und sind am Ende ziemlich enttäuscht. Das Foto ist genial aufgenommen und wir würden gerne den Standort des Fotografen kennen um ein ähnliches Foto zu machen, das gelingt uns aber nicht. Es verspricht wesentlich mehr als tatsächlich dahinter steckt. Es handelt sich um eine sehr enge Straße auf der natürlich Spitzkehre auf Spitzkehre folgt. Aber letztendlich kann man kaum schneller als 20 bis 40 km/h fahren, da der Weg absolut unübersichtlich ist und man ständig mit Gegenverkehr rechnen muss. Wenn Autos kommen, muss einer stehen bleiben und den anderen passieren lassen. Wie hier zwei Autos aneinander vorbei kommen sollen ist mir ein Rätsel, denn Ausweichbuchten gibt es kaum.
Etwas ernüchtert beschließen wir, nicht die gleiche Strecke über den Col de la Madeleine zurück zu fahren sondern die Runde über Val d'Isere und den Col de l'Iseran zu wählen. Diese Entscheidung stellt sich im Nachhinein als goldrichtig heraus, da wir hier auch wieder wunderschöne Sträßchen entdecken, die Marianne später zu ihrer persönlichen Lieblingsstrecke erklärt.
Doch zuvor wirft meine Liebste noch einen kurzen Blick in die Karte und entdeckt den Col du Galibier, der den höchsten Punkt der Tour de France markiert, ganz in der Nähe. Kurzentschlossen setzen wir den Blinker und begeben uns an den Aufstieg. Leider haben die Franzosen beschlossen, dass diese Straße unbedingt ausgebessert werden muss - und zwar heute. Mit der Folge, dass wir uns von Baustelle zu Baustelle hangeln, nicht ohne zwischendrin immer wieder von Rollsplitpassagen ausgebremst zu werden. Am Col du Telegraph haben wir die Nase so ziemlich voll, gönnen uns eine kurze Pause mit einer Portion Pommes und einem Croque Monsieur, und kehren wieder um.
Auf dem Weg zurück zu unserer Route, vorbei an allen Baustellen und Splitstrecken treffen wir 3 Motorradfahrer, an die wir uns dranhängen. Die drei sind flott unterwegs und wir machen so ein gutes Stück Strecke, bis sich unsere Wege wieder trennen. Die drei wollen wohl eher die Hauptstraßen fahren, während es uns eher auf die Nebenstrecken zieht.
Ab Mondane verlassen wir die D 1006 und fahren parallel dazu die D 83 über Aussois nach Sollières-Sardières. Auf diesem Abschnitt sind wir quasi alleine, nur ab und an begegnet uns ein Auto, die Straßen sind gut ausgebaut und lassen sich einfach toll fahren. Marianne ist absolut begeistert und schwärmt Tage später noch von dieser Tour.
Jetzt geht es weiter in Richtung Val-d'Isere. Es folgen wieder einige Spitzkehren und wir werden immer sicherer. Erst peilen ob die Straße frei ist, dann schön weit ausholen und eng aus der Kurve raus kommen. Das könnte ewig so weiter gehen… Doch mit jeder Kehre wird es auch kühler. Kein Wunder denn wir nähern uns dem höchsten Punkt unserer Reise, Dem Col de l'Iseran mit immerhin 2770 m. Zum Glück ist es schneefrei, das hat man hier im September auch schon anders erlebt, trotzdem ist es recht "schattig". Natürlich machen wir das unvermeidliche Gipfelfoto.
Inzwischen ist es 16:00 Uhr und wir wollen zügig weiter. Schon wieder sitzen wir seit sechs Stunden auf dem Bock und der Dubs meutert trotz bequemer Sitzbank angesichts dieser Tortur. Wir legen in immer kürzeren Abständen Pausen ein, um die Beine zu strecken oder Mariannes einschlafenden Händen Erholung zu bieten.
Die Rückreise nach Montvilliers führt uns direkt durch den Wintersportort Val d'Isere. Die leeren Hotel- und Appartementklötze die die Landschaft verschandeln bieten ein trauriges Bild. Die Sportgeschäfte sind leergeräumt die Läden verrammelt. Nichts ist von dem mondänen Flair zu spüren, den die französischen Skigebiete im Winter versprühen. Erfreulich ist, dass die Hänge, auf denen sich winters unzählige Skifahrer tummeln, jetzt saftig grüne Wiesen sind, auf denen Kühe weiden.
Als wir gegen 18:00 Uhr die Motorräder in der Garage abstellen sind wir 8 Stunden unterwegs gewesen und haben 270 Kilometer zurückgelegt, die sich gelohnt haben.
Abends gibt es als Vorspeise einen Salat mit Rillet und Weißbrot. Als Hauptgericht serviert Marie traditionelle savoyanische Kochwürstchen mit Kartoffeln und ganzen Möhren. Dazu gibt es Senfsauce. Zum Nachtisch essen wir Tarte mit Mirabellen. Wir sind geschafft vom Tag und verabschieden uns schon früh ins Bett wo wir nach einigen Seiten unserer E-Books tief und fest einschlafen.