Als der Wecker um 2:00 Uhr klingelt bin ich sofort hellwach. Heute gehts endlich los, unsere erste Motorradtour nach dem Wiedereinstieg im April diesen Jahres. Zuvor muss ich allerdings noch Tim an den Frankfurter Flughafen bringen, da sein Flieger um 5:00 Uhr in Richtung Alicante startet. Er besucht seine Freundin, die dort mit ihren Eltern ihren Sommerurlaub verbringt.
Tim hat scheinbar gar nicht geschlafen, als ich ihn wecken will sitzt er vor seiner Glotze und zockt. Natürlich hat er seine Sachen gepackt und nach einem sehr frühen Morgenkaffee geht's los in Richtung Frankfurt.
Als ich mich entscheiden muss, ob ich zum Terminal 1 oder 2 abbiegen will stelltTim fest, dass er sein Ticket und alle Reiseinformationen zu Hause vergessen hat. Zum Glück hat er online eingecheckt und seine Daten liegen am Schalter vor. Auch wenn Marianne vorsorglich geweckt war und in den Startlöchern stand funktioniert alles und ich kann nach 11 Minuten die Kurzparkzone verlassen, nicht ohne 2,50 Euro für die Minute Parkzeitüberschreitung zu bezahlen. Ich tröste mich damit, dass die bestimmt bald eine neue Startbahn bauen müssen und das Geld gut gebrauchen können.
Wieder zu Hause ist es einfach zu verlockend noch mal ins warme Bett zu krabbeln und eine Runde zu schlafen. Sollen doch die Flieger fliegen und die Parkzeitüberschreitungskontrolleure kontrollieren, für normale Motorradfahrer ist es jedenfalls eindeutig zu früh!
Als ich gegen 8:00 Uhr aufwache ist der Himmel trübe aber die Stimmung bestens. Marianne ist ebenfalls wach und wir beschließen gemütlich die Reste zu packen und nach einem ordentlichen Bikerfrühstück in Richtung Süden zu starten. Als es dann so weit ist, dass Koffer und Topcase an der BMW eingeklickt sind, Tankrücksack und Sitzbankkoffer auf der Kawa festgezurrt sind geht es los. Die B36 in Richtung Kehl, dort über den Rhein und dann auf kleineren Sträßchen immer an Rhein und Doubs entlang bis nach Etupes, wo Marianne unser erstes Quartier gebucht hat.
Für die erste Etappe von 135 km gibt unser "dritter Mann", der kleine Zumo, zwei Stunden an. Da die B 36 ja eher unspektakulär zum Motorrad fahren ist, planen wir diese Etappe als Eingewöhnungsphase ein. Schließlich ist es nach langer Zeit das erste Mal, dass wir wieder mit Gepäck auf Tour sind. Aber beide Maschinen schnurren wie Nähmaschinen und wir fühlen uns schnell wohl auf unserer Tour. Der Himmel bleibt bedeckt, aber Wetteronline und Konsorten geben eine 20%-ige Regen- wahrscheinlichkeit für heute an, die wir großzügigerweise vernachlässigen.
Noch in Deutschland suchen wir nach einer Apotheke um orthopädisches Tape zu kaufen. Marianne will damit versuchen die einschlafenden Hände in den Griff zu krie- gen. Aber dieses Thema wird uns auf unserer Reise noch intensiver beschäftigen.
Kehl erreichen wir gegen 12:00 Uhr und nach einem kurzen aber intensiven Kampf zwischen dem kleinen Zumo und Stefan werden wir zum ersten Mal für fünf Kilometer unserem Vorhaben untreu, indem wir auf eine Autobahn fahren. Problem war, dass bei der Planung für die zweite Etappe scheinbar die Option "Autobahn vermeiden" nicht angeklickt war und Zumo jetzt aber mal ganz flott zu den Croissants und dem Baguette wollte. Dem haben wir aber schon bei der nächsten Ausfahrt die Flausen ausgetrieben und sind wieder auf die Landstraße eingebogen. Nach einigen heftigen aber sehr bestimmten Klicks hats Zumo eingesehen und uns ab sofort von Autobahnen ferngehalten. Das wäre ja auch noch schöner …
Für die nächste Etappe von 188 km sind 3,5 Stunden vorgesehen, so dass wir gegen 16:00 Uhr an unserer Unterkunft in Etupes sein können, dann ein bisschen relaxen und abends im hoteleigenen Restaurant lecker essen. Das hört sich gut an und wir schlängeln uns frohen Mutes am Rhein entlang in Richtung Süden. Gegen 14:00 Uhr legen wir etwa auf der Höhe von Colmar eine Pause ein und genießen die Reste aus dem heimischen Kühlschrank. Bei dieser Gelegenheit wirft Marianne einen Blick die die gute althergebrachte Landkarte aus Papier und entdeckt:
Die Vogesen - ganz in der Nähe - Col de la Schlucht - Route des Cretes - Musik in den Ohren eines jeden Motorradfahrers …
Na das nehmen wir doch noch mit. Die 2 Stunden Umweg sind schnell geplant und in die Route eingearbeitet und schon befinden wir uns auf dem Weg zu unseren ersten Kurven und auch die ersten Spitzkehren lassen nicht lange auf sich warten. Traumhaft schöne Gegend, nicht nur zum Biken, sondern auch richtig was fürs Auge. Wir beschließen schon jetzt das auf dem Rückweg noch etwas intensiver einzuplanen.
Natürlich lassen auch die ersten Knieschleifer nicht lange auf sich warten und mich haut's jedesmal fast aus der ergonomisch geformten Sitzbank, wenn und so einer uns mit brüllendem Motor überholt. Nix gegen den tollen Sound aus einem Auspuffrohr und obwohl ich selbst wieder auf dem besten Weg zum leidenschaftlichen Motorradfahrer bin, ist mir doch eher das vor einigen Jahren entstandene Motto: "Laut ist out" sympathischer. Aber die sollen mal abwarten, bis wir aus den Savoyen vom "Kurventraining pur" zurück kommen. Dann is aber vorbei mit überholen!!
Inzwischen ist es 15:30 Uhr, wir haben 246 km zurückgelegt und wir müssen tanken. Praktischerweise gibt’s neben der Tanke gleich eine Boulangerie mit Tischen und Stühlen. Toll, zum Glück gibt’s das nicht an jeder Tankstelle in Frankreich, sonst wären wir wohl jetzt noch nicht wieder zu Hause.
Leider haben sie keine Tische draußen, das Wetter hat sich nämlich inzwischen zu einem sehr angenehmen Sommertag entwickelt, dafür gibt’s als Tagesangebot zwei Crossis zum Preis von einem. Da sitzen wir dann gerne auch drinnen.
Anschließend geht es weiter durch die Vogesen und wir erreichen bei Burnhaupt-le-Haut die ursprüngliche Route. Von hier ist es noch etwa eine Stunde bis zu unserer Unterkunft in Etupes, die wir gegen 18:00 Uhr erreichen, wo wir nach 446 Kilometern die Zündschlüssel auf OFF drehen.
Die Rezeption ist nicht mehr besetzt und wir finden einen handgeschriebenen Zettel auf dem Namen und Zimmernummer steht. Das Zimmer erinnert an einen Schuhkarton, aber es ist ja nur für eine Nacht. Bald kommt die Chefin und begrüßt uns. Das Restaurant hat leider noch Betriebsferien, aber es soll in der Nähe eine Pizzeria und einen Kebab-Laden geben. Also gehen wir nach kurzer Erholung auf Erkundungstour - und finden alle Läden im Umkreis geschlossen vor. Mist! Nach 8 Stunden Motorrad fahren nix zu Essen, das sind trübe Aussichten. WLAN funktioniert im Hotel nicht, dass wir auch nicht googeln können wo es Futter gibt. Marianne ergreift die Initiative, fährt noch mal los. Zuerst findet sie einen Western Grill. Hier gibt es leckere Hamburger für 17 Euro, das entspricht allerdings nicht so ganz ihren Preis-Leistungs-Vorstellungen. Also nutzt sie das Free-WiFi und findet den nächsten McDonalds. Immerhin kann sie dort 2 Menus mit Feierabendbierchen ergattern. Das zweite Bier kostet dann schon 3 Euro pro Flasche und schmeckt irgendwie nicht mehr ganz so gut. Wir sind müde von der langen Fahrt und schlafen bald ein.